Wie würden Sie eine typische Führungskraft in Deutschland beschreiben? Eventuell so: Sie ist Mitte 50, ist in Westdeutschland aufgewachsen, hat Wirtschaftswissenschaften studiert, sitzt in der Chefetage eines namhaften Automobilherstellers und heißt Thomas. Und der Thomas-Kreislauf sorgt dafür, dass dies sich auch nicht allzu schnell ändern wird.
Thomas ist neben Andreas, Michael und Christian einer der verbreitetsten Vornamen von Führungspersonen in Deutschland. Dies hat eine Studie von Indeed herausgefunden. Es wurde eine Rangliste der Vornamen der Geschäftsführer*innen von 318.190 GmbHs in Deutschland zwischen 2002 und 2019 erstellt. Auf den Spitzenpositionen dieser Rangliste finden sich nur Männer-Namen. Der Name einer Frau (Katja) taucht erstmals auf Platz 9 auf.
Auch in deutschen Aktiengesellschaften und ihren Vorständen gibt es dieses Phänomen. Im September 2021 waren laut dem Bericht der Allbright-Stiftung 95% der Vorstandvorsitzenden in den 160 deutschen Börsenunternehmen männlich – der Anteil der Frauen betrug lediglich 5%. Aber nicht nur ein Ungleichgewicht in Bezug auf das Geschlecht ist festzustellen, sondern auch in Bezug auf Alter, Herkunft und Ausbildung.
Als das Phänomen als Thomas-Kreislauf bekannt wurde, war der Name “Thomas” Spitzenreiter: Noch 2017 gab es mehr Thomasse und Michaels (49) als Frauen in deutschen Vorständen (46). Erst 2019 – 3 Jahre nach Einführung der Quote - änderte sich der Frauenanteil. Und heute? Gibt es immerhin 4 Sabines in den deutschen Vorständen, jedoch noch 24 Männernamen, die häufiger vorkommen. Es gibt ihn also immer noch – den Thomas-Kreislauf, auch wenn er nun ein Thomas-Christian-Stefan-Michael-Markus-Kreislauf ist.
Der Thomas-Kreislauf beschreibt das Ergebnis von unterbewussten, durchaus menschlichen Handlungsmustern. Sie beeinflussen maßgeblich, wie deutsche Chefs rekrutieren. Oft wird nach dem eigenen Spiegelbild rekrutiert, denn seinesgleichen traut man den Job instinktiv mehr zu. Ganz nach dem Motto: Ein Thomas befördert einen Thomas.
Bildquelle: Bericht der Allbright Stiftung - September 2021
Der In-Group Bias beschreibt ein Muster, bei dem Mitglieder der In-Group gegenüber Out-Group-Mitgliedern bevorzugt werden und erklärt somit, warum wir bestimmte Menschen als vertrauenswürdiger und sympathischer einschätzen als andere. Beim Thomas-Kreislauf ist In-group Bias am Werk und sorgt so dafür, dass ein Thomas unterbewusst lieber andere Thomasse befördert, anstatt beispielsweise eine Ayla.
Treffen wir auf Personen die uns in Auftreten, Äußerlichkeiten oder Charaktereigenschaften ähneln, weckt das in uns Sympathie und Vertrauen und wir schätzen die Person als kompetent ein. Diese kognitive Verzerrung nennt man Mini-Me Effekt. Je ähnlicher uns eine Person ist, desto kompetenter schätzen wir sie automatisch ein. Deswegen befördern Männer unterbewusst jene Männer, mit denen, sie Ähnlichkeit haben.
Durch den Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) neigen wir dazu, bevorzugt solche Informationen aufzunehmen und als relevant einzuordnen, die mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmen. Wir bestätigen uns so gerne selbst in unserer Meinung. So passiert es, dass wir bei Personen, die wir schon aufgrund in-Group und Mini-Me Bias per se sympathischer und kompetenter einschätzen, negative Aspekte und schlechte Performance auch einfacher ausblenden können. Fertig ist ein sehr homogenes Führungsgremium.
In Deutschen Familienunternehmen sehen wir den Thomas-Kreislauf stärker als bei börsennotierten Unternehmen. Der aktuelle Allbright-Bericht liefert auch hierzu Daten: Am 1. März 2022 arbeiten in den Geschäftsführungen der 100 größten deutschen Familienunternehmen 8,3 Prozent Frauen, und damit deutlich weniger als bei den 160 an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen, wo es 14,3 Prozent Frauen sind.
Die deutsche Gesellschaft ist längst vielfältig. Leider spiegelt sich das im Management der (Familien)Unternehmen nicht wider. Sie scheinen in vertrauten und altbewährten Arbeitsmustern steckengeblieben zu sein: „Mann“ bleibt unter sich. Wenn Unternehmen in Zukunft Mitarbeiter*innen und insbesondere Top-Talente von sich begeistern wollen, wird es Zeit aktive Schritte einzuleiten, um eine diverse und inklusive Unternehmenskultur aufzubauen.
Diverse Teams sind innovativer, agieren risikoärmer und performen besser. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen und Studien, wie zum Beispiel die Studie von Cedric Herring aus dem Jahr 2017. Grund dafür sind vielfältige Perspektiven und Hintergründe, die zu neuen Ideen und einem besserem Risikobewusstsein führen.
Der Weg zu einer diversen Unternehmenskultur führt nicht am Bewerbungsprozess vorbei. Die Auswahl neuer Mitarbeiter*innen wird stark durch unterbewusste menschliche Handlungsmuster, Bias, die zum Thomas-Kreislauf führen, beeinflusst. Durch die anonyme Bewerbung können Sie unterbewusste Handlungsmuster ausschalten und so ganz automatisch eine diversere Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen etablieren.
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